Lowlands-L Members' Gallery
Lowlands-L : "My Lowlands" -- List members sharing their discoveries, ideas and feeling

Frontpage

Members' works
Mark Brooks
Sandy Fleming
Reinhard F. Hahn
Hannelore Hinz
Arthur A. Jones
Jakob Liek
Thomas Mc Rae
Tomás Ó Cárthaigh
Andrys Onsman
Wesley Parish
Pat Reynolds
Arend Victorie
Marsha Wilson

The Pin Wall

THIS SERIES:

Contents

Poems
Short Prose
Translations
Songs
Music
Performance
Pictures
Video
For Children

Contact
Disclaimer

OTHER SERIES:

Lowlands-L

Facebook
Offline Resources
Lowlands Shops
  · Canada
  · Deutschland
  · France
  · 日本 Japan
  · United Kingdom
  · United States
Anniversary
Travels
Traditions
The Crypt
History
Language Tips
Members’ Links



Thomas Mc Rae
[To Thomas Mc Rae’s index]

> Deutsch
> English*

[Klicke bitte hier, um zu lesen, was vorher geschah.]


Knuddel kehrt heim

Eine Geschichte für Claire von Thomas Mc Rae, Brisbane, Queensland, Australien
mit einigen von Thomas Mc Rae genehmigten Änderungen)
für Lisa Marie aus dem Englischen übertragen von Reinhard F. Hahn, Seattle, USA, ©2008

Korrekturlesung von B. Müller-Hahn


Knud­del das Kro­ko­dil leb­te voll­kom­men glück­lich und zu­frie­den mit mir und mei­nen bei­den Kat­zen, nach­dem man ihn von der Be­schul­di­gung, ver­sucht zu ha­ben, Herrn Ham­mel, den Bus­fah­rer, fres­sen zu wol­len, frei­ge­spro­chen hat­te. Li­sa Ma­rie kam je­den Tag nach der Schu­le vor­bei, um mit Knud­del zu spie­len und ihn Gas­si zu füh­ren. Er war ein be­kann­ter Fern­seh­star ge­wor­den mit sei­nem Tanz­akt. Je­der moch­te ihn und nie­mand glaub­te mehr, dass er ge­fähr­lich sei. Ir­gend je­mand mein­te so­gar: „Knud­del wür­de kei­ner Flie­ge et­was zu Lei­de tun.“ Das stimm­te nun al­ler­dings nicht, denn er saß häu­fig mit weit ge­öff­ne­tem Maul da, bis ei­ne Flie­ge vor­bei­flog und – KLACK – war sie weg. Er schien Flie­gen für flie­gen­de Le­cker­bis­sen zu hal­ten. Ich war so­gar froh da­rüber, denn ich brauch­te nie wie­der In­sek­ten­spray zu kau­fen.

Si­cher er­in­nerst du dich da­ran, dass Hun­de vor ka­bom­ban­ischen grü­nen Kro­ko­di­len nie si­cher sind. Das war gut, denn nach der leid­lichen Sache mit Schat­zi, Frau Brauns Chi­hua­hua, ta­ten al­le Leu­te ge­nau das, was sie so­wie­so tun soll­ten, näm­lich ih­re Hun­de an der Lei­ne Gas­si zu füh­ren, statt sie frei he­rum­lau­fen und ar­men Mie­ze­kätz­chen nach­ja­gen zu las­sen.

Der Chi­hua­hua von Frau Braun? Ja, je­der hat­te das Vieh ge­hasst, weil es ge­häs­sig und bis­sig war. Es klet­ter­te Män­nern an den Ho­sen­bei­nen em­por, um ih­nen in die Na­sen zu bei­ßen, jag­te Kat­zen und klei­ne Kin­der, hielt al­le ört­li­chen Do­ber­män­ner in Angst und Schre­cken und schlich über­all dort he­rum, wo es den Men­schen Ban­ge ma­chen konn­te. Aah, aber ei­nes Ta­ges kam Schat­zi an un­se­rem Haus vor­bei, als Knud­del ge­rade ein Son­nen­bad nahm. Der Chi­hua­hua stürm­te ihn bel­lend, knur­rend und zäh­ne­flet­schend an. Dann – KLACK – und es gab kein Pro­blem mehr mit ei­nem bis­si­gen Kö­ter!

Frau Braun ging zur Po­li­zei, aber In­spek­tor Sperr­linck er­klär­te ihr, sie ha­be das Ge­setz über­tre­ten, weil sie das Biest frei he­rum­lau­fen ließ, und Knud­del ha­be ein­fach aus Selbst­ver­tei­di­gung ge­han­delt. Der In­spek­tor war der Vor­sit­zen­de vom Knud­del-Fan-Club und Schat­zi hat­te so­gar schon Po­li­zis­ten ge­bis­sen.

Kat­zen wa­ren ganz ver­rückt nach mei­nem grü­nen Kro­ko­dil und ström­ten aus der gan­zen Um­ge­bung her­bei, um schnur­rend auf ihm in der Son­ne zu sit­zen. Sie wech­se­lten sich da­mit ab, ihn zu wa­schen, so dass er wohl das sau­ber­ste Kro­ko­dil der gan­zen Welt war. Die Ei­gen­tü­mer der Kat­zen ga­ben Knud­del zur Be­loh­nung vie­le Würs­te zu fres­sen, weil der übel ge­sinn­te Chi­hua­hua nicht mehr ih­re ge­lieb­ten Kätz­chen er­schreck­te. Die Brief­trä­ger un­se­res Be­zirks schenk­ten ihm 10 Ki­lo­gramm der bes­ten Steaks. Frau Braun zog nach Ba­den-Ba­den zu­rück, und seit­dem hat man von ihr nichts mehr ge­hört.

Eines Ta­ges fand ich im Brief­kas­ten ei­nen Brief vom Prä­si­den­ten von Ka­bom­ba. Da­rin stand ge­schrie­ben …

Sehr geehrter Herr,  Es ist uns bekannt geworden, dass Sie ein kabombanisches grünes Krokodil als Haustier halten. Keinem unserer Krokodile ist es erlaubt, außerhalb Kabombalands gehalten zu werden. Somit befehlen wir Ihnen, übermorgen mit dem Krokodil in unser Land zu kommen, damit wir ermitteln können, ob Sie dazu geeignet sind, sich darum zu kümmern.   Bringen Sie bitte die beiliegenden Karten sofort zu Cabombaland Airways, um Ihren kostenlosen Flug zu arrangieren.   Mit freundlichen Grüßen,     Johannes H. Kabomba, Präsident.   P.S. Ich freue mich darauf, von Ihnen alle Neuigkeiten über Fintel zu erfahren, auch über Harburg, wo ich an der Technischen Universität studierte. Und bringen Sie mir bitte zwanzig Dosen Grünkohl mit.

Ein kos­ten­lo­ser Flug und die Ge­le­gen­heit, Knud­dels Hei­mat­land ken­nen­zu­ler­nen? Das war doch et­was! Doch war ich auch ein we­nig be­un­ru­higt, denn mein Haus­tier könn­te mir ge­nom­men wer­den. Doch es könn­te na­tür­lich auch sein, dass er sich in sei­ner Hei­mat glück­li­cher fühlte.

Ich pack­te un­ser Ge­päck zusammen, kauf­te ei­nen gan­zen Kar­ton mit Grün­kohl­kon­ser­ven, und am über­näch­sten Tag sa­ßen Knud­del und ich ne­ben­ein­an­der im Flug­zeug, das uns an un­se­ren Be­stim­mungs­ort flie­gen soll­te: Ka­bom­ba­land in Af­ri­ka.

Es war ein sehr lan­ger Flug, doch wir wur­den gut be­treut. Le­ckeres ge­koch­tes Es­sen für mich und ro­hes Fleisch und ro­hen Fisch für Knud­del. Seine Ver­ple­gung wur­de von Kro­ko­di­len ser­viert, die als Hilfs­be­sat­zung aus­ge­bil­det wa­ren. Die mensch­li­che Be­sat­zung be­stand aus gut­ge­laun­ten, freund­li­chen Men­schen, bei de­nen ich mich wohl fühl­te. Wenn al­le Ka­bom­ba­ner so wa­ren, wür­de dieses ei­ne groß­ar­tige Rei­se wer­den. Was für ein Aben­teu­er!

Ei­ni­ge Zeit später wach­te ich auf und sah aus dem Flug­zeug­fen­ster unter uns ein schö­nes, grü­nes Land mit viel Was­ser … End­lich Ka­bom­ba­land! Als wir am Flug­ha­fen an­ka­men, war­te­te dort eine gro­ße Men­ge Men­schen auf uns, die deutsche und so­gar nie­der­säch­si­sche Fah­nen schwenk­ten. Al­le wa­ren bunt ge­klei­det. Als ein klei­nes Mäd­chen uns aus dem Flug­zeug stei­gen sah, setz­te es sich auf ein Kro­ko­dil und ritt he­ran. „Gu­ten Tag! Sie müs­sen Rein­hard sein. Herz­lich will­kom­men in Ka­bom­ba­land! Ich bin Jen­ni­fer Ka­bom­ba, die Toch­ter des Prä­si­den­ten. Sie wer­den bei uns im Pa­last woh­nen … Va­ti möch­te wis­sen, ob Sie den Grün­kohl mit­ge­bracht ha­ben. Er konn­te lei­der nicht mit­kom­men, denn er ist an­der­wei­tig be­schäf­tigt. A­ber er wird Sie aber bald em­pfan­gen. Ich soll Sie zu uns nach Hau­se brin­gen.“

Dann schau­te Jen­ni­fer Knud­del an … „Woo woyn, par­ra par­ra pa­las yo.“ Knud­del nick­te mit sei­nem rie­si­gen Kopf und leg­te sich flach auf den Bo­den. Jen­ni­fer be­fes­tig­te ei­nen Sat­tel auf sei­nem Rü­cken und sag­te zu mir: „Stei­gen Sie auf! Ich brin­ge Sie schnell nach Hau­se, da­mit Sie mei­ne Fa­mi­lie ken­nen­ler­nen.“ Und ob Du es glaubst oder nicht, ich ritt auf Knud­dels Rü­cken durch die Stra­ßen, mein Ge­päck und der Kar­ton mit den Grün­kohl­kon­ser­ven hin­ter mir. Wa­rum hat­te ich vor­her nie­mals an die­se Mög­lich­keit ge­dacht? Wie viel Ben­zin­geld hät­te ich da­bei spa­ren kön­nen! Men­schen wink­ten und ju­bel­ten, als wir an ih­nen vor­bei­rit­ten und ich wuss­te so­fort, dass mir mei­ne neu­en dun­kel­häu­tigen Freun­de mit ih­ren will­kom­men hei­ßen­den Lä­cheln wirk­lich sehr ge­fie­len.

Die Häu­ser, an de­nen wir vor­bei­rit­ten, moch­te ich sehr. Ich freu­te mich da­rauf, ein­ge­la­den zu wer­den, ei­ni­ge der Fa­mi­li­en zu be­su­chen, die da­rin wohn­ten. Wir ka­men an ei­ner Bau­stel­le vor­bei, an der neu­e Ge­bäu­de ent­stan­den und ich staun­te nicht schlecht, als ich sah, wie Kro­ko­di­le eif­rig zu den Mau­rern hi­nauf schlurf­ten mit den Mäu­lern voll Zie­geln oder mit ze­ment­ge­füll­ten Ei­mern, die ih­nen an den Mäu­lern hin­gen. Die Tie­re schie­nen tat­säch­lich Freu­de da­ran zu ha­ben, den Men­schen beim Er­rich­ten der Ge­bäu­de zu hel­fen.

Es wa­ren Märk­te zu se­hen mit herr­li­chem Obst und Ge­mü­se, von dem ich et­li­che Sor­ten vor­her nicht ein­mal in Ham­burg ge­se­hen hat­te. Über­all herrsch­te ein Ge­fühl des Glücks und des Wohl­be­ha­gens. Ich konn­te kei­ne Hun­de ent­de­cken, doch gro­ße, fet­te Kat­zen gab es in rau­en Men­gen. Ich wuss­te, dass ich mei­nen Be­such in Ka­bom­ba­land ge­nie­ßen wür­de, egal, was mit mir und Knud­del ge­sche­hen soll­te.

Schließ­lich er­reich­ten wir ein gro­ßes Ge­bäu­de, das um­ge­ben war von ei­nem grü­nen, gras­be­deck­ten Feld, auf dem ich viele um­her­strei­fen­de Scha­fe ent­de­cken konn­te. „Wir sind da“, lach­te Jen­ni­fer. „Bald wer­den Sie mei­ne Fa­mi­lie ken­nen­ler­nen.“ So­gar oh­ne Be­fehl blieb Knud­del ne­ben ih­rem Kro­ko­dil vor den Stu­fen des Pa­lastes ste­hen. Zwei Jun­gen und ein klei­nes Mäd­chen ka­men uns ent­ge­gen­ge­lau­fen. Jen­ni­fer er­klär­te: „Dies sind mei­ne Brü­der Jung Han­nes und Chris und meine klei­ne Schwes­ter A­man­da. Sie wol­len Sie be­grü­ßen. Tre­ten Sie bit­te ein. Sie müs­sen er­schöpft von der Rei­se sein.“

Oben an der Trep­pe stand eine Da­me. Als ich oben an­kam, um­arm­te sie mich ganz fest und sag­te: „Ich bin An­ge­li­ka, Jen­ni­fers Mut­ter. Sie sind in un­se­rem Haus herz­lich will­kom­men. Bit­te tre­ten Sie ein und set­zen sich.“ Ich dach­te an mein Ge­päck, doch die bei­den Jun­gen hat­ten sich be­reits da­rum ge­küm­mert. Ei­ner ba­lan­cier­te mei­nen Kof­fer auf dem Kopf, der an­dere den Kar­ton mit den Grün­kohl­kon­ser­ven. Aman­da ging mit ei­nem Ei­mer zu Knud­del und füt­ter­te ihn da­raus mit Fisch. Da­nach roll­te er sich auf den Rü­cken und sie kit­zelt­e ihm den Bauch.

Jen­ni­fer führ­te mich zu mei­nem Zim­mer. Ich fühl­te mich mü­de und schmut­zig nach der lan­gen Rei­se. Nach dem Du­schen be­schloss ich, mich ei­ni­ge Mi­nu­ten hin­zu­le­gen. Ich wur­de von ei­nem Mann auf­ge­weckt, der la­chend rief: „Meinst du nicht, du hast lan­ge ge­nug ge­schla­fen, Rein­hard? Das Abend­es­sen wird in un­ge­fähr ei­ner Stun­de fer­tig sein.“ An der Tür stand ein gro­ßer lä­cheln­der Afri­ka­ner. Es war Prä­si­dent Jo­han­nes Ka­bom­ba per­sön­lich, und die Uhr zeig­te an, dass ich tat­säch­lich gan­ze sechs Stun­den ge­schla­fen hat­te.

So­fort sprang ich auf. „Herr Prä­si­dent, ich …“ „Sol­che Höf­lich­kei­ten sind hier nicht nö­tig, Rein­hard, mein Freund. Ich bit­te dich, es wie al­le hier in ganz Ka­bom­ba­land zu tun: Sprich mich mit ‘Han­nes’ und ‘du’ an!“ Er schüt­tel­te mir warm die Hand, „Jetzt kannst du noch ein­mal du­schen. Dann schi­cke ich mei­nen Sohn Jung Han­nes, um dich nach un­ten zu brin­gen.“

So ge­schah es, dass ich mich ei­ne Stun­de spä­ter mit mei­nem neu­en Freund Han­nes und sei­ner Fa­mi­lie zu ei­nem herr­li­chen Es­sen setz­te und mich be­reits wie ein Fa­mi­li­en­mit­glied fühl­te. An­ge­li­ka koch­te und ser­vier­te das Es­sen per­sön­lich und es war ein­fach groß­ar­tig. Zu­erst aßen wir ei­ne rie­sige Schüs­sel mit Grün­kohl und Wür­sten. Al­le wa­ren sich da­rüber ei­nig, dass es pri­ma schmeck­te. (Ich ver­sprach, mehr Do­sen zu schi­cken, wenn ich wie­der zu Hau­se wä­re.) Als näch­stes ver­putz­ten wir ei­nen schmack­haf­ten wür­zi­gen Ham­mel­fleisch-Ein­topf, denn Scha­fe lie­fern den Ka­bom­ba­nern Wol­le und Fleisch. Die Fuß­bö­den al­ler Zim­mer im Haus wa­ren mit Schaf­fell­tep­pi­chen be­deckt. All­zu bald be­en­de­ten wir die Mahl­zeit mit ei­ner Mi­schung aus fri­schen ört­li­chen Obst­sor­ten. Die Kin­der san­gen ei­ni­ge Lie­der vor und gin­gen dann zu Bett. Han­nes bat mich in sein Ar­beits­zim­mer.

„Setz dich, Rein­hard.“ Ich setz­te mich al­so und be­gann mit mei­ner Er­klä­rung: „Al­so, Han­nes, die Sa­che mit Knud­del …“ „Da­zu ha­ben wir spä­ter noch viel Zeit, Rein­hard. Wir wer­den das in den kom­men­den Ta­gen si­cher re­geln. Aber statt des­sen er­zäh­le mir doch bit­te al­les, was sich bei euch er­eig­net hat, seit ich letz­tes Jahr ab­be­ru­fen wur­de, um Prä­si­dent zu wer­den.“ So brach­te ich ihn hin­sicht­lich al­ler wich­tigen An­ge­le­gen­hei­ten in Fin­tel, in Nie­der­sach­sen und in Ham­burg auf den neu­e­sten Stand. Nach ei­ni­gen Tas­sen hie­si­gen Kaf­fees war es Zeit, schla­fen zu ge­hen. Trotz mei­nes lan­gen Schlafs am Tag schlum­mer­te ich tief und fest.

Als ich am näch­sten Mor­gen auf­ge­stan­den war, be­rei­te­te mir An­ge­li­ka ein köst­li­ches Früh­stück zu, das aus Pfann­ku­chen und fri­schem Obst be­stand. Dann führ­ten mich die Kin­der auf ei­nen lan­gen Spa­zier­gang durch die Stadt. Al­le Leu­te be­grüß­ten mich mit Lä­cheln und Hän­de­drü­cken. Wie sehr mir die­ses klei­ne Land ge­fiel! Aber ich wür­de den­noch mei­nen Knud­del ver­mis­sen, wenn die Zeit für die Rück­rei­se ge­kom­men war.

Wir ent­fern­ten uns ziem­lich weit von der Stadt und ka­men an ei­nen Fluss. Blu­men wuch­sen dort am Ufer ent­lang. Die Kin­der mach­ten da­raus Ket­ten, die sie uns um den Hals häng­ten. Auf der an­de­ren Sei­te des Flus­ses konn­te ich über­all schlecht ge­bau­te, schmut­zi­ge Häu­ser mit qual­men­den Feu­ern se­hen. „Das da drü­ben ist Elo­i­da­land“, er­klär­te Jen­ni­fer. „We­gen des Kö­nigs ist es ein ganz schlim­mes Volk, und sie wol­len al­le un­se­re Kro­ko­di­le auf­es­sen. Des­halb er­lau­ben wir ih­nen nicht auf die­se Sei­te zu kom­men.“ Tat­säc­hlich sah es nicht so aus, als sei das Woh­nen dort sehr an­ge­nehm. Es schien kei­ne Obst­bäu­me und sehr we­nig ess­ba­res Ge­trei­de zu ge­ben. Ma­ge­re Kü­he und Zie­gen wan­der­ten um­her. Ich hör­te kei­ner­lei Ge­läch­ter über das Ge­wäs­ser zu uns he­rü­ber klin­gen. Wir ent­fern­ten uns ei­lig, um wie­der un­ter den fröh­li­chen Ka­bom­ba­nern zu sein. Da­bei war uns nicht be­wusst, dass wir von lis­tigen Au­gen aus den Sträu­chern he­raus auf un­se­rer Sei­te des Was­sers be­ob­ach­tet wur­den.

Plötz­lich spran­gen mit wil­dem Ge­schrei sechs rie­si­ge Män­ner auf uns zu und fin­gen an, die Kin­der zu er­grei­fen. Ich ver­such­te ver­zwei­felt, sie ab­zu­weh­ren, wur­de je­doch rasch nie­der­ge­schla­gen und ge­fes­selt. Wir wur­den in ein Ka­nu ge­schleppt, das am U­fer ver­bor­gen ge­le­gen hat­te, und wa­ren bald Ge­fan­ge­ne in Elo­i­da­land.

Die Kin­der wur­den in ei­ne Hüt­te ge­drängt und ich wur­de an ei­nen Baum ge­bun­den. Dort wur­de ich im glut­hei­ßen Son­nen­schein ste­hen ge­las­sen. Oh, der schreck­li­che Ge­ruch die­ses Orts – ver­faul­ter Fisch und Kuh­mist! Ärm­lich aus­se­hen­de Men­schen ver­sam­mel­ten sich um mich he­rum. Sie droh­ten mir kei­ne Ge­walt an, stan­den ein­fach nur so da und schau­ten mich an, wäh­rend sie lei­se mit­ein­an­der spra­chen.

Ei­ne Gru­ppe bru­tal aus­se­hen­der Ker­le dräng­te sich nun durch die­se klei­ne Men­schen­men­ge und stand dann la­chend und rie­si­ge Re­vol­ver schwen­kend vor mir. Dann stol­zier­te der größ­te Mann, den ich je­mals ge­se­hen hat­te, auf mich zu. Er trug ei­ne ü­ber­aus reich ver­zier­te Ar­mee­u­ni­form mit zahl­rei­chen Me­dail­len. “Hallo, du ge­fan­gen Mann. Du mich hier ku­cken!” schrie er mich an, wäh­rend er ü­ber mir em­por­ragte. “Ich – ich is Groß­ter von Gro­ße: Kö­nig Elo von Elo­i­dien, und die da Män­ners is mein Po­li­zei­en. Oh, wie sie für mich hal­ten Ord­nung mein dumm Volk, und jetz sie brin­gen mich ein groooß Ge­schenk: Al­le Kin­ders von schlech­ten Mann Jo­han­nes. Oh, jetz wir wolln ma sehn. Ja, wir wolln ma!“

Da­bei schwenk­te er ei­nen Re­vol­ver, der noch grö­ßer war, als die Re­vol­ver, die sei­ne Po­li­zis­ten mir vors Ge­sicht hiel­ten, „Was dich an­geht, du solls mein Freun sein, oder sonst … Ich geb dich sehr gro­ße Ar­beit für zu ma­chen.“ Er schnat­terte sei­ne Gang­ster in der dor­ti­gen Spra­che an, und sie schnit­ten mei­ne Fes­seln ent­zwei. Dann ga­ben sie mir schmut­zi­ges Was­ser in ei­nem noch schmut­zi­ge­ren Be­cher. Doch ich war so dur­stig, dass ich es den­noch trank. “Du, mein Freun, du solls sein mein of­fi­ziel­ler Bo­te. Du hörs?” Er stopf­te ei­nen Um­schlag in mei­ne Ho­sen­ta­sche. Sei­ne Män­ner fes­sel­ten mei­ne Hand­ge­lenke, kne­be­lten mich und ver­ban­den mei­ne Au­gen. Was kam nun? “Du gehs zurück und gebs dies wich­ti­ge Brief zu Dumm Jo­han­nes. Die Le­bens von al­le sei­ne Kin­ders is futsch, wenn du nich tus.“

Ich be­merk­te, dass ich in et­was hi­nein­ge­drängt wur­de, das sich da­rauf­hin auf dem Was­ser be­weg­te. Ir­gend­wann wur­de ich wie­der an Land ge­scho­ben. Dort lös­te man die Fes­seln an mei­nen Hand­ge­len­ken und ich wur­de hef­tig auf et­was Wei­ches ge­wor­fen, das da­bei mein Ge­sicht zer­kratz­te. Ich ent­fern­te rasch die Au­gen­bin­de und stell­te fest, dass ich in Sträu­cher auf dem ka­bom­ba­ni­schen Fluss­u­fer ge­wor­fen wor­den war. Ich riss den Kne­bel he­raus und ging un­si­cher schwan­kend in die Stadt. Dort brach­ten mich ei­ni­ge Men­schen rasch zum Prä­si­den­ten­bü­ro.

„Du lie­be Gü­te, Rein­hard!“ schrie Jo­ha­nnes er­schro­cken. „Was ist pas­siert? Wo sind mei­ne Kin­der?“ Keu­chend be­rich­te­te ich die Ge­schich­te und leg­te ihm den Um­schlag in die zit­tern­den Hän­de. Jo­ha­nnes las den Brief und reich­te ihn mir dann. Er war sehr schlecht ge­schrie­ben und hät­te ei­nen Leh­rer sehr ziem­lich ver­är­gert. Es stand da­rin ge­schrie­ben …

Liebe Herr Johaness mein Herr, Ich hab die Ehre respektvolstens zu informieren dass deine schöne Kinders is jetz meine Gäste in Eloidaland. Um sie zurück zu kriegen mussu mich morgen treffen und großen Vertrag schliessen, der mich Geschenk macht von 300 von deine leckere Krokodile. Du muss auch versprechen für mich 300 mehr jedes Jahr und auch Haufen Obst und Schafefleischs zu zahlen. Ja du gieps mich auch 500 Schafe morgen, oder sonst, und auch Bananens und Apfels und Annanases und annern Kram. Ich und meine Polizeien kommt morgen früh mit deine Kinders abholen Geschenke, wenn du nicht da, behalten wir Kinders für immer und lassen sie schuften als Sklaven mit verhaute Popos jeden Montag, Mittwoch und Freitag. Ich hoff mein Brief findet dich bei gute Gesundheit, dein gehorsamer Herr und Herrscher. X (Sein Zeichen)

Prä­si­dent Han­nes war to­tal ent­setzt. „Ach, du Schreck, Rein­hard! Was soll ich jetzt ma­chen?“ Doch die Schlä­ge, die ich von Kö­nig E­los Po­li­zis­ten er­hal­ten hat­te, be­gan­nen zu wir­ken. Be­vor ich auf sei­ne Fra­ge ant­wor­ten konn­te, fiel ich zu sei­nen Fü­ßen in Ohn­macht. Ich er­wach­te in mei­nem Zim­mer im Pa­last, wo ein Arzt mei­ne Wun­den rei­nig­te und ver­band. Als ich so da lag, be­gann ich da­rüber nach zu grü­beln, wie man die Kin­der ret­ten könn­te. Was könn­te man an­stel­len? Bei die­sen Ge­dan­ken sah ich um­her und blick­te da­bei zu­fäl­lig auf die Schaf­fell­tep­pi­che auf dem Fuß­bo­den. Da kam mir plötz­lich ei­ne groß­ar­ti­ge I­dee. “Ru­fen Sie bit­te so­fort den Prä­si­den­ten”, bat ich den Arzt.

Ein sehr be­un­ru­hig­ter Han­nes setz­te sich auf die Kan­te mei­nes Bettes und be­rich­te­te: „Al­so, Rein­hard, es sieht tat­säch­lich so aus, als müs­se ich die For­de­run­gen die­ses üb­len Kö­nigs an­neh­men. Es scheint kei­ne an­de­ren Mög­lich­kei­ten zu ge­ben.“ „Die gibt es aber doch“, ant­wor­te­te ich. „Ver­klei­de Knud­del ein­fach als Schaf und al­les wird gut.“ Han­nes schau­te mich tief­trau­rig an. „Ach, ar­mer Rein­hard! Die schreck­li­chen Schlä­ge ha­ben dein Ge­hirn ge­trof­fen. Wie könn­te ein rie­si­ges Kro­ko­dil da­zu ge­bracht wer­den, wie ein Schaf aus zu se­hen?“ „Ehr­lich, Han­nes. Mir geht es gut. Hö­re dir bit­te mei­nem Vor­schlag an. Wir ha­ben doch nichts zu ver­lie­ren.“ Wäh­rend ich den Plan er­klär­te, be­gann Han­nes, et­was ge­fass­ter aus­zu­se­hen. Als ich mit mei­ner Er­klä­rung fer­tig war, fing er an zu la­chen: „Rein­hard, das könn­ten wir tat­säch­lich schaf­fen, doch da­zu brau­che ich dei­ne Hil­fe. Bist du ge­sund ge­nug, um heu­te A­bend zu hel­fen?“

Ich ver­si­chter­te ihm, dass ich in gu­ter Ver­fas­sung wä­re. Für den Rest die­ses Ta­ges und die Nacht hin­durch ar­bei­te­ten Han­nes und sei­ne Leu­te schwer im Feld ne­ben dem Pa­last, um al­les für den Mor­gen vor zu be­rei­ten. Wäh­rend­des­sen bat ich, dass Knud­del her­bei­ge­bracht wurde. Er ging an mir vor­bei und roll­te sich vor die Fü­ßen von Han­nes.

„Aha! Ich hat­te also recht“, sag­te da der Prä­si­dent. „Das war ein­mal mein Haus­tier, als er sehr klein war. Als ich nach Deutsch­land ab­reis­te, konn­te ich es nicht er­tra­gen, ihn zu­rück­zu­las­sen. Also schmug­gel­te ich ihn in mei­ner Ho­se hän­gend am Zoll vor­bei. Wäh­rend mei­ner drei Jah­re in Har­burg teil­te ich mei­ne Woh­nung mit ihm und er wuchs und wuchs. In je­der Nacht, wenn rings­he­rum we­ni­ge Men­schen drau­ßen wa­ren, nahm ich ihn zum Schwim­men mit an den Fluss. Aber weil ich in mei­nen Stu­di­um schwer ar­bei­ten muss­te, fing ich an, ihn al­lein hi­naus­zu­las­sen, denn er kam ja im­mer brav zu­rück. Ei­nes A­bends ka­men zwei mei­ner Lands­leu­te, um mir mit­zu­tei­len, dass mein Va­ter ver­schie­den war, dass ich jetzt Prä­si­dent sei und so­fort mit ih­nen ab­rei­sen müs­se. In mei­ner Ver­wir­rung er­in­ner­te ich mich erst im Flug­zeug an den ar­men Knud­del. Ich mach­te mir häu­fig Sor­gen um ihn, bis ich von dei­nem Aben­teu­er er­fuhr.“

Das er­klär­te al­so, wa­rum ein ka­bom­ba­ni­sches grü­nes Kro­ko­dil in Nord­deutsch­land um­her­wan­der­te. Knud­del muss­te al­lein von Ham­burg ganz nach Fin­tel ge­reist sein.

Aber wir hat­ten noch ei­ni­ge Ar­beit vor uns. Han­nes gab Knud­del Be­feh­le und der mach­te sich so­fort ans Werk. Was er tat? Ah, das wirst du er­fah­ren, wenn ich so weit bin.

Am näch­sten Mor­gen war al­les auf dem gro­ßen Feld be­reit. Da wa­ren 500 Scha­fe, die dicht in der Mit­te zu­sam­men­ge­drängt stan­den und von zwei Schä­fer-Kro­ko­di­len be­wacht wur­den. Auf ei­ner Sei­te stan­den 300 Kro­ko­di­le be­reit, um weg­ge­bracht zu wer­den. Es tat mir leid, die ar­men Din­ger so ver­trau­ens­voll zu se­hen. Auf der an­de­ren Sei­te des Fel­des war ei­ne gro­ße Grill­gru­be vor­be­rei­tet wor­den, und man hat­te ge­ra­de da­mit an­ge­fan­gen, in ih­nen Ham­mel­bra­ten für das Mit­tag­es­sen zu schmo­ren. Meh­re­re gro­ße Be­häl­ter wa­ren mit Eis und Fla­schen­bier ge­füllt ... Al­les war al­so für den Em­pfang un­se­rer Gäs­te be­reit.

„Jetzt wird es Zeit, dass du an den Fluss hi­nun­ter­gehst, Rein­hard“, sagte Han­nes, „Mö­ge Gott uns bei­ste­hen!“ An­ge­li­ka kam an­ge­lau­fen. „Bit­te, Rein­hard, ret­te mei­ne Kin­der und un­ser ge­lieb­tes Land!“ „Ich wer­de mein Bes­tes tun“, ant­wor­te­te ich, als ich da­von hink­te. Wür­den mei­ne Ide­en klap­pen? Das soll­ten wir bald er­fah­ren.

Mit vier Be­ra­tern des Prä­si­den­ten er­reich­te ich das Fluss­u­fer. Wir konn­ten Trom­meln hö­ren, die auf der an­de­ren Sei­te ge­schla­gen wur­den. Dort ver­such­te man, gro­ße Flö­ße für die Ü­ber­fahrt her zu rich­ten. Auf die­se Flö­ße wur­den von den Po­li­zei­row­dys Men­schen ge­trie­ben.

Drei ge­schmück­te Ka­nus wur­den ins Was­ser ge­bracht, und in ei­nem von ih­nen konn­te ich den üb­len Kö­nig E­lo er­ken­nen. Vier klei­ne Kin­der hin­ter sich her­ziehend er­schie­nen zwei sei­ner Po­li­zis­ten. Sie be­stie­gen e­ben­falls das Ka­nu. Meh­re­re an­de­re Po­li­zis­ten setz­ten sich in die an­de­ren bei­den Boo­te. Dann fin­gen al­le an, den Fluss zu ü­ber­que­ren, ge­folgt von den Flö­ßen vol­ler a­pa­thi­scher Men­schen.

Kurz vor den Flö­ßen er­reich­ten die Kanus un­ser U­fer, und die Po­li­zis­ten stie­gen ih­re Re­vol­ver schwen­kend zu­erst aus und such­ten in den Sträu­chern nach Per­so­nen im Hin­ter­halt. Die bei­den Po­li­zis­ten im Ka­nu von E­lo gin­gen dann, die vier Kin­der hin­ter sich her­zie­hend, an Land. „Oh, Reinhard! Wie schön, Sie zu se­hen! Es war schreck­lich da drü­ben!“, schrie Jen­ni­fer. „Hal’ ’s Maul, du!“, brüll­te ei­ner der Po­li­zis­ten und schlug dem Kind auf den Kopf. E­lo, so ar­ro­gant wie im­mer, ging an Land, „Ah! Is mein Freun! A­ber, bit­te, wo ist Dumm Jo­han­nes und all mein Ge­schen­ken?“

Ich er­klär­te: „Der Prä­si­dent hat al­le Ih­re Ge­schen­ke au­ßer­halb des Pa­lasts auf­stel­len las­sen, wo es für ei­nen Kö­nig wie Sie pas­send ist, in Em­fang zu neh­men, was ihm ge­bührt. Er hat auch eine Men­ge Ham­mel­bra­ten und Bier für Sie und Ih­re Leu­te vor­be­rei­ten las­sen, die Sie nach der Ü­ber­gabe er­hal­ten. Ich und die Be­ra­ter sol­len Sie nach dort­hin brin­gen. Bit­te neh­men Sie auch al­le Ih­re Leu­te mit.“ In­zwi­schen wa­ren die Flö­ße an­ge­kom­men und die Men­schen, die auf ih­nen he­rü­ber ge­kom­men wa­ren, stan­den dort und sa­hen sehr be­un­ru­higt aus.

„Schön, schön. Wir gehn mit. Aber kei­ne Tricks, oder ich brech dich bei­de Ar­me. Ich find die blau­e Fle­cken auf dein Ge­sicht schön. Will­su, dass ich mach mehr?“ Mit die­sen Wor­ten stol­zier­ten Elo und sei­ne Ban­de die Kin­der mit sich rei­ßend hin­ter uns her. Es folg­ten ih­nen ih­re be­dau­erns­wer­ten Un­ter­ta­nen als Zeu­gen des be­vor­ste­hen­den Tri­umphs ih­res Kö­nigs. Po­li­zis­ten schlu­gen sie, wenn sie mein­ten, dass sie sich zu lang­sam be­weg­ten. Ich hat­te wirk­lich Mit­leid mit den ar­men Men­schen.

Bald er­reich­ten wir das Feld beim Pa­last. Elo brüll­te vor Freu­de, als er die Scha­fe sah, aber noch lau­ter brüll­te er, als er all die Kro­ko­di­le er­blick­te. „Heu­te a­bend ess ich sehr, sehr gut“, ki­cherte er, „Dumm Jo­han­nes, ich, dein Herr­scher, is hier für mei­ne Ge­schen­ken.“ „Ge­ben Sie mir mei­ne Kin­der wie­der und Sie sol­len sie ha­ben“, ant­wor­te­te Jo­han­nes. „Ach, nein! Zu­erst muss ich mir mei­ne Ge­schen­ken an­ku­cken un sehn, dass al­les da is.“ Ent­schlos­sen mar­schier­te Elo zu den Scha­fen, ge­ra­de­so, wie ich es er­hofft hat­te. „Ers will ich zähln. Po­li­zei­en, bring die Kin­ders hier bei mich! Ein, zwei, drei, vier, eeeeeehhh … sie­ben. Kö­nigs brauch nicht Sach­en zähln. Ihr Po­li­zei­en tut es für mich!“

Ei­ner der Po­li­zis­ten, die die Kin­der hiel­ten, be­gann nun, laut zu zäh­len, um zu ü­ber­prü­fen, ob wirk­lich fünf­hun­dert Scha­fe in der Her­de sind. Wäh­rend er zähl­te, muss­te sich der an­de­re Gang­ster un­ter den Tie­ren be­we­gen und die Kin­der wur­den auch mit­ge­schleppt. Da mein­te ich, der Au­gen­blick sei da … „Knud­del, woo woyn siin nuuu!“ schrie ich, und es ge­schah etwas Er­staun­li­ches.

Es reg­ne­te ei­nen mäch­ti­gen Schau­er lo­ser Er­de un­ter ei­nem der Scha­fe und das wur­de in the Luft ge­schleu­dert. Doch es war nur ein Schaf­fell und da­run­ter hat­te sich Knud­del die gan­ze Nacht lang in ei­ner lan­gen, seich­ten Gru­be ver­steckt, die er ge­gra­ben hat­te. Nun stürm­te er her­vor und schlug da­bei ei­nen der Po­li­zis­ten mit seiner Na­se zu Bo­den und ei­nen an­de­ren mit ei­nem Schwanz­schlag, ge­nau, wie wir es in der vor­her­ge­hen­den Nacht ge­übt hat­ten. Zur glei­chen Zeit rief Han­nes Be­feh­le und die drei­hun­dert Kro­ko­di­le eil­ten zur Kampf­sze­ne und grif­fen die an­de­ren Po­li­zis­ten an. Er schrie den Kin­dern zu: „Rennt zu eu­rem Va­ter!“ und sah vol­ler Freu­de, dass sie ihm in die Ar­me lie­fen. Nun sah ich An­ge­li­ka auf sie zu ren­nen und war so froh, dass ich dem an­de­ren Ge­sche­hen um mich he­rum gar kei­ne Auf­merk­sam­keit mehr schenk­te.

Oh­ne Vor­war­nung wur­de ein Arm fest um mei­nen Hals ge­drückt. Ein rie­si­ger Re­vol­ver wur­de mir ins Ge­sicht ge­sto­ßen. Ich konn­te den An­grei­fer nicht se­hen, doch sei­ner Stim­me ent­nahm ich, dass es der üb­le Kö­nig war. „Du, du sehr schlech­ter, dum­mer Mann! Jetz ich dein Kopf ab­schie­ßen, wenn du nich zu das Kro­ko­dil ru­fen, soll Dumm Jo­han­nes an­grei­fen.“ Ich muss­te sehr schnell den­ken, wäh­rend er den Druck um mei­nen Hals lo­cker­te. „Oh, gro­ßer Kö­nig“, flüs­ter­te ich, „ich kann ü­ber­haupt nicht ru­fen, weil Sie mei­ne Luft­röh­re be­schä­digt ha­ben. Ich sa­ge Ih­nen den Be­fehl, und Sie kön­nen ihn dann ru­fen. Er muss al­len Be­feh­len fol­gen.“ „Denn flüs­ter mich un viel­leich ich nich schieß dich spä­ter“, brüll­te Elo.

Ich flüs­ter­te den nö­t­igen Be­fehl, und er warf mich zu Bo­den. Er brüll­te la­chend: „Knud­del, woo woyn siin hinn!“ Wir wis­sen ja in­zwi­schen al­le, was das be­deu­tet, nicht wahr? E­he er sei­nen Re­vol­ver ab­schie­ßen konn­te, war Knud­del zu dem Schuft hin­ge­eilt und hat­te die­sem mit ei­nem Schlag sei­nes Schwan­zes weit weg ge­schla­gen. Sei­ne Kie­fer mach­ten KLACK, als er nach E­lo schnapp­te, der sich er­schro­cken um­wand­te und weg­rann­te. Knud­del riss dem Kö­nig sei­nen Ho­sen­bo­den he­raus, und die Leu­te lach­ten, als er mit blo­ßem Hin­tern da­her rann­te und ver­zwei­felt ver­such­te, zu flüch­ten.

Ka­bom­ba­ni­sche Kro­ko­di­le lau­fen be­son­ders schnell und E­lo lag bald am Bo­den mit Knud­del, der be­reit war, ihn zu fres­sen. Han­nes rief rasch ei­nen Be­fehl und Knud­del wich zu­rück, be­hielt den Kö­nig je­doch miss­trau­isch im Au­ge. Ich hör­te lau­ten Lärm und dreh­te mich um. Da­bei sah ich, wie die Un­ter­ta­nen des Kö­nigs E­lo die Po­li­zis­ten ver­prü­gel­ten, die den Kro­ko­dil-An­griff ü­ber­lebt hat­ten. E­lo selbst wur­de von vier Wäch­tern des Prä­si­den­ten er­grif­fen und zu­sam­men mit sei­nen Po­li­zis­ten rasch zum Ge­fäng­nis ge­schafft. Das eloi­di­sche Volk be­gann zu tan­zen und zu la­chen. Es war das er­ste Mal, dass wir die­se Men­schen fröh­lich sa­hen. „Wir sind frei!“, schrien sie im­mer wie­der. „Oh, dan­ke! Dan­ke!“

„So­bald mei­ne Kin­der und mein Freund Rein­hard sich ge­wa­schen und um­ge­zo­gen ha­ben, wer­den wir die­ses vor­be­rei­te­te Fest­es­sen ge­nie­ßen“, lach­te Han­nes. „Ihr E­lo­i­de­er dürft mit uns fei­ern. Wir ha­ben auch ei­ni­ge al­ko­hol­frei­e Ge­trän­ke.“ Und so wur­de ein an­fäng­lich tra­gisch schei­nen­der Tag mit gro­ßem Froh­sinn be­en­det. Han­nes ver­sprach den E­lo­i­de­ern, er wür­de ih­nen hel­fen, Schu­len und Kran­ken­häu­ser zu bau­en. Sein Volk soll­te ih­nen auch Kennt­nis­se in der Land­wirt­schaft bei­brin­gen. Sie wa­ren al­le sehr froh, als sie in der Nacht, be­la­den mit Ge­schen­ken und mit dem Ge­dan­ken an ei­ne glück­li­che Zu­kunft, ü­ber den Fluss setz­ten.

Der Rest mei­nes Auf­ent­halts in Ka­bom­ba­land war wun­der­bar. Han­nes ver­lieh an mich den Or­den des Gol­de­nen Grü­nen Kro­ko­dils, die höch­sten Aus­zeich­nung sei­nes Lan­des. Viel wich­ti­ger war es a­ber für mich, dass er mich zum On­kel sei­ner Kin­der er­nann­te. Sie al­le mein­ten, dass sei ei­ne groß­ar­ti­ge I­dee, und ich ver­sprach, dass sie mich in Deutsch­land be­su­chen dür­fen.

Und der bö­se Kö­nig E­lo und sei­ne Ban­de? Han­nes ent­schied, dass die ge­richt­li­che Ver­fol­gung ih­rer Ver­bre­chen für ihn zu ernst wä­ren. Des­halb lie­ferte er sie nach den Nie­der­lan­den aus, da­mit sie vor dem Welt­ge­richts­hof zu er­schei­nen. Wäh­rend ich die­ses schrei­be, wer­den sie dort im Ge­fäng­nis fest­ge­hal­ten und er­war­ten ih­re Ver­hand­lung. Ich soll als Zeu­ge aus­sagen, wenn der Fall zur Ver­hand­lung be­reit ist.

Mein Auf­ent­halt in Ka­bom­ba­land nä­her­te sich sei­nem En­de zu. Doch was soll­te aus Knud­del wer­den? Er und ich be­reis­ten das gan­ze Land, und al­le wa­ren be­geis­tert von sei­nem Tanz­akt. Es wä­re wirk­lich trau­rig, wenn ich ihn zu­rück­las­sen müss­te. Am letz­ten Tag mei­nes Auf­ent­halts rief der Prä­si­dent zu ei­ner Volks­ver­samm­lung auf. Vor die­ser Ver­samm­lung sag­te er zu mir: „Du musst ver­ste­hen, Rein­hard, dass es nach un­se­ren al­ten Ge­set­zen ein Ver­ge­hen ist, wenn je­mand, der kein Ka­bom­ba­ner ist, ei­nes un­se­rer Kro­ko­di­le be­sitzt. Du als Deut­scher bist da­her nicht da­zu be­rech­tigt, Knud­del mit nach Hau­se zu neh­men.“ Ich war sehr trau­rig und be­kam bei sei­ner Er­klä­rung feuch­te Au­gen. Aber was war das?

Han­nes fuhr näm­lich fort: „In An­er­ken­nung dei­nes Mu­tes und dei­ner selbst­lo­sen Hil­fe er­nen­nen wir, das Volk von Ka­bom­ba­land, dich hier­mit zum le­bens­lan­gen Eh­ren­bür­ger un­se­rer Na­tion. Wenn es ihm recht ist, darf Knud­del so­mit mit dir nach Hau­se zu­rück­keh­ren. Wir ü­ber­rei­chen dir ei­nen Gol­de­nen Pass für un­se­re Luft­fahrt­ge­sell­schaft, so dass du und er in eu­re an­dere Hei­mat kom­men könnt, wann im­mer es euch ge­fällt.“ Al­le ju­bel­ten, und wir fei­er­ten ein wei­te­res gro­ßes Fest, vor­läu­fig mein letz­tes.

Am näch­sten Mor­gen be­stieg ich mit Knud­del, der hin­ter mir her­trab­te, das Flug­zeug. Nach ei­nem wei­teren an­ge­neh­men Flug wa­ren wir bald wie­der zu Hau­se in Fintel mit vie­len Ge­schen­ken für Li­sa Ma­rie und für al­le un­se­re an­de­ren Freun­de

Und das war das En­de un­se­res zwei­ten Aben­teu­ers.

 


[To Thomas Mc Rae’s index]


© 2005, Lowlands-L • ISSN 189-5582 • LCSN 96-4226 • All international rights reserved.
Lowlands-L Online Shops: Canada · Deutschland · France · 日本 · UK · USA